„Ich wurde zum ersten Mal gefragt, was ich erreichen möchte.“

Schülerin Anni Hilbert trainiert im Ambulanticum das Laufen – und noch viel mehr

ICP. In der Neurologie stehen diese drei Buchstaben für Infantile Cerebralparese, eine Störung des Haltungs- und Bewegungsapparats, die auf eine frühkindliche Hirnschädigung zurückgeht. Allein 2019 gab es 3.240 Fälle in Deutschland, für 2021 werden 3.328 prognostiziert. Auch Anni Hilbert lebt mit einer Infantilen Cerebralparese. Als die Schülerin ein Jahr alt war, wurde die Krankheit bei ihr diagnostiziert. Unterkriegen lässt sich die heute Elfjährige davon nicht. Im Gegenteil. Mit viel Motivation, Durchhaltevermögen und Kraft erkämpft sie sich immer weitere (Bewegungs-)Freiheiten – auch mit Hilfe von Therapien im Ambulanticum.

Vorwärts ziehen statt krabbeln

„Dass Anni motorische Verzögerungen hat, hat sich schon früh gezeigt“, blickt Annis Mutter Uta Hilbert zurück. „Sie ist zum Beispiel nie gekrabbelt, sondern hat sich vorwärts gezogen.“ Ab dem zweiten Lebensmonat bekommt Anni daher Frühförderung, arbeitet mit Physiotherapeuten. Mit zwei Jahren hat sie ihren ersten Rollator, mit drei Jahren beginnt sie das Therapeutische Reiten. In einem ambulanten Therapiezentrum bekommt Anni Manuelle Therapie, intensive Physio- und Ergotherapie. Zwei Mal im Jahr, jeweils für zwei Wochen – bis das Zentrum 2018 schließen muss.

Erste Intensivtherapie im Ambulanticum

„Einen Nachfolger gab es nicht und auch etwas Vergleichbares haben wir in unserer Region nicht gefunden“, so Uta Hilbert, die mit ihrer Familie im Süden Deutschlands lebt. Dann lesen die Eltern in der Mitgliederzeitschrift der Techniker Krankenkasse einen Artikel über das Ambulanticum. „Zu dem Zeitpunkt hatte Anni fast zwei Jahre keine Intensivtherapie mehr – und das hat man auch gemerkt. Sie selbst war unzufrieden und wollte etwas machen.“ Die Familie stellt einen Antrag auf Intensivtherapie im Ambulanticum. Ostern 2021 beginnt die erste dreiwöchige Therapieeinheit. Es folgen zwei Wochen rund um Pfingsten und zwei Wochen im Sommer.

Training mit Spaßfaktor

„Es war Annis großer Wunsch, hierhin zu gehen. Und sie liebt es hier.“ Uta Hilbert lächelt, während sie zu Anni blickt, die gerade ihre Therapieeinheit auf dem C-Mill beendet hat, einem Gangtrainer, der mit Augmented und Virtual Reality arbeitet. Auch Anni strahlt. „Das Training auf dem C-Mill ist zwar besonders anstrengend, macht aber auch Spaß“, erzählt sie, dreht ihren Rollator zurecht, setzt sich und erzählt von ihrem Training. Von den Therapieeinheiten am Lokomaten oder im 3D-Spacecurl, in dem sie sich mit Gewichtsverlagerungen um die eigene Achse dreht und auch mal Kopf steht.

Mehr Körperwahrnehmung und besseres Gleichgewichtsgefühl

„Hier gibt es so viele Möglichkeiten. Das kenne ich von anderen Therapien gar nicht“, sagt die Elfjährige. Was sie auch nicht kannte: gefragt zu werden, was man selbst möchte, welche Ziele man hat. „Das hat mich vorher noch nie jemand gefragt“, fügt sie mit leisem Erstaunen hinzu. Und Anni möchte viel erreichen. Sie ist ehrgeizig. Trainiert eifrig. Zieht die täglichen fünf Stunden Training konsequent durch. „Sie ist da wie ein Uhrwerk und geht mit extremer Motivation rein“, bestätigt auch ihre Mutter. Müde wird sie nur, wenn sie ihr Bett sieht. „Sonst könnte ich weiter machen“, ergänzt ihre Tochter und lacht. Annis Einsatz zahlt sich aus. Die Wochen im Ambulanticum zeigen Wirkung. „Ihre Körperwahrnehmung und Aufrichtung haben sich extrem gewandelt“, hat Mutter Uta beobachtet. „Sie weiß jetzt sehr genau, wo sie ansetzen muss, um aufrechter zu laufen. Ihre Muskulatur und ihr Gleichgewicht haben sich verbessert.“

Alltagssituationen selbstständig bewältigen

Auch für viele kleine, alltägliche Situationen hat Anni die Zeit im Ambulanticum geschult. Konnte sie ihre linke Hand zuvor nur kurz drehen, kann sie jetzt ein Glas selbst halten. Oder ihre Arme hochstrecken, was für das selbstständige Waschen und Duschen wichtig ist. „Die Therapie im Ambulanticum orientiert sich sehr am Alltag der Patienten. Das finden wir wichtig und richtig“, sagt Uta Hilbert. Kostete es Anni sonst zehn Minuten, einen Strumpf anzuziehen, schafft sie es jetzt in einer Minute. „Weil die Therapeuten im Ambulanticum die ersten waren, die einen Strumpfanzieher ins Spiel brachten“, so die Mutter.

Schule und Schwimmtraining

Nach der Therapie und den Sommerferien hat für Anni zu Hause ein neuer Alltag begonnen: Die Elfjährige geht jetzt auf eine Regelschule und besucht ein Gymnasium in ihrer Heimat. „Schule ist schön. Ich lerne gerne. Und man macht Übungen, ohne es zu merken“, sagt Anni, die in ihrer Schule auch die Schwimmgruppe besucht. Ein Training, das gleichzeitig ein großes Hobby von ihr ist. „Wasser ist toll“, sagt Anni und lächelt. „Im Wasser bin ich leicht. Und im Wasser kann ich laufen.“

 

 

Neue Perspektiven im Para Sport

Lina Neumair ist Talentscoutin des Behinderten- und Rehabilitationssportverbands NRW

Anfang September sind die Paralympics zu Ende gegangen. Die Spiele in Tokio haben den paralympischen Sport in den Fokus gerückt – für einen Moment. „Im Alltag bekommen Para-Sportarten und die Sportler:innen mit Behinderung aber viel zu wenig Aufmerksamkeit“, ist Ambulanticum-Geschäftsführerin Marion Schrimpf überzeugt. Dabei sei Sport gerade für Menschen mit Behinderung eine wichtige Motivation. „Er sorgt für Erfolgserlebnisse und schafft Selbstbewusstsein“, weiß auch Lina Neumair. Als Talentscoutin des Behinderten- und Rehabilitationssportverbands NRW (BRSNW) hat sie den sportlichen Nachwuchs im Blick und sich die Therapiemöglichkeiten im Ambulanticum bei einem Besuch angeschaut.

Menschen für den Parasport begeistern

„Es ist wichtig und toll, dass es eine solche Einrichtung gibt, die gerätegestützt und sehr individuell arbeitet und zudem viele Sportwissenschaftler im Team hat“, so Lina Neumair. Seit 2019 arbeitet sie für den BRSNW als Talentscout – eine Stelle, die damals neu geschaffen wurde und mit der Nordrhein-Westfalen eine Vorreiterrolle einnimmt: Die 27-Jährige ist die erste hauptamtliche Talentscoutin für den Para Sport in Nordrhein-Westfalen. Sportler:innen, Familien, Schulen und Vereine beraten, talentierte Kinder und Jugendliche mit Behinderung  sichten, Menschen, die nach einem Unfall mit einem Handicap leben, (wieder) für den Sport begeistern – all das gehört zu den täglichen Aufgaben der Hattingerin. 

Vielfalt des Para Sports aufzeigen

„Mir ist es wichtig, den Para-Sport bekannter zu machen und die Vielfalt der Sportmöglichkeiten aufzuzeigen“, so Lina Neumair. Und zu denen zählen nicht allein Rollstuhlbasketball oder Paradressur – zwei Sportarten, die zu den bekannteren gehören. So können Parasportler:innen in NRW zum Beispiel im Para Tischtennis, Para Rudern, Para Badminton, Sitzvolleyball, Para Schwimmen oder in der Para Leichtathletik als Kaderathleten gefördert werden oder auch in einer Hobbygruppe ihre sportliche Heimat finden. Dafür betreibt Lina Neumair viel Aufklärungsarbeit, bringt Vereine und Sportler:innen zusammen und zeigt neue Wege auf: „Viele wissen gar nicht, welchen Sport sie mit Amputationen oder mit einem Querschnitt überhaupt machen können“, weiß die Sport- und Fitnesskauffrau, die nach ihrem Fachabi auch noch ein Bachelorstudium abgeschlossen hat. „Der Sport gibt vielen – gerade nach einem Unfall – neue Perspektiven.“ 

Erfolgreiche Sportlerinnen

So hat Lina Neumair zum Beispiel einem jungen Mädchen, das seit einem Autounfall querschnittsgelähmt ist und in der Leichtathletik aktiv werden wollte, dabei geholfen, den passenden Verein zu finden. Eine sehr erfolgreiche Athletin, die Lina Neumair begleitet, ist Gianna Regenbrecht. Die Medizinstudentin ist Para-Dressurreiterin im Bundesnachwuchskader, trainiert 

trainiert am Olympiastützpunkt DOKR in Warendorf, im Paralympischen Trainingszentrum (PTZ) in Frechen – und immer wieder auch im Ambulanticum. „So kam auch der Kontakt zum Therapiezentrum zustande“, erklärt Lina Neumair, die sich freut, ihr Netzwerk um das Ambulanticum erweitern zu können. „Hier findet man viele Therapiemöglichkeiten gebündelt an einem Ort und es kann sehr individuell gearbeitet werden.“ Weitere Informationen zu ihrer Arbeit, Schnuppertagen und -veranstaltungen für Interessierte gibt es unter: https://www.brsnw.de/leistungssport/talentscout/geschichten

Lernen, an sich selbst zu glauben

Gabriel hatte als Baby eine Hirnblutung – heute besucht er eine Regelschule

Gabriel macht vieles mit links: abstützen, hochziehen, greifen. Links ist die starke Seite des Sechsjährigen. Seine rechte Hand hat er lange gar nicht wahrgenommen. Nicht wahrnehmen können. Denn als Baby erlitt Gabriel eine Hirnblutung. Die Folgen: Er schaute nicht nach rechts, nutzte seine rechte Hand nicht, hatte motorische Defizite und machte seine ersten Schritte mit zwei Jahren. Fahrradfahren? Klettern? Eine Regelschule besuchen? Glaubte man den Ärzten, war das undenkbar. Dass es nicht unmöglich ist, hat der Schüler mittlerweile allen gezeigt: Denn heute kann Gabriel all das. Große Fortschritte hat der Erstklässler auf seinem Weg auch im AMBULANTICUM gemacht.

Schwere Diagnose

„Nach der Diagnose teilten uns die Ärzte mit: Haben sie nicht so viele Erwartungen. Gabriel wird vieles nicht können“, sagt Daniel Funke, Gabriels Vater, und seine Stimme klingt brüchig, wenn er von der schweren Zeit nach Gabriels Geburt erzählt. „Das hat meine Frau und mich natürlich niedergeschlagen.“ Das Elternpaar stand unter Schock, konnte den Ärzten aber keinen Glauben schenken. „Wir haben unser Kind gesehen und gedacht: Er wird mehr können“, so Mutter Stefanie. 

„Es muss doch noch mehr geben.“

Sie beginnen mit einer intensiven Frühförderung, Gabriel bekommt Physiotherapie und Ergotherapie. Regelmäßig besucht eine Therapeutin die Familie, arbeitet mit Gabriel vor Ort, hilft bei der Wahl weiterer Unterstützungsangebote. Auch seine Eltern machen zu Hause Übungen mit ihm, setzen immer wieder auch kleine Hilfestellungen um: Sie bauen eine Rampe, um ihr Kind beim Krabbeln lernen zu unterstützen. Ein gehäkeltes Band mit Glöckchen an der kleinen rechten Hand soll die Aufmerksamkeit auf die schwache Seite lenken. Als Gabriel 2,5 Jahre alt ist, kommt sein Bruder Jakob zur Welt. „Das hat Gabriel auch immer wieder unheimlich motiviert“, blickt Stefanie Funke zurück. Als der Kleine zu krabbeln beginnt, ahmt auch Gabriel die Bewegungsabläufe nach und wiederholt diesen Entwicklungsschritt nochmal.

Neben der intensiven Förderung und Therapien informiert sich das Ehepaar auch über andere Möglichkeiten, ihren Sohn zu unterstützen. „Das alles war ja schön und gut. Aber wir haben immer gedacht: Es muss doch noch mehr geben“, schildert der Familienvater. Seine Frau recherchiert. Sie stößt auf die gerätegestützte Therapie und auf das AMBULANTICUM. „Wir haben direkt gesagt: Das probieren wir aus und schauen, wie Gabriel die Therapie annimmt“, erzählen beide.

Bessere Körperwahrnehmung

Die Technikerkrankenkasse genehmigt die Intensivtherapie. Im September 2020 ist Gabriel zum ersten Mal in dem Herdecker Therapiezentrum. Sieben Wochen – drei Wochen im September, zwei Wochen im November und zwei weitere im März 2021 – arbeitet er mit dem Therapeutenteam. Mit großem Erfolg. „Als wir begonnen haben, wusste Gabriel, dass er seine rechte Hand braucht, wenn er bestimmte Sachen machen möchte“, erklärt Daniel Funke. „Das hatte er verstanden.“ Während der therapeutischen Einheiten lernt er, die rechte Hand unbewusst zu nutzen. Er gewinnt an Sicherheit. Weiß, er kann sich abstützen, abfangen – auch mit rechts. „Seine ganze Körperwahrnehmung hat einen enormen Schub bekommen“, findet Daniel Funke. Mit jeder Verbesserung glaubt Gabriel mehr an sich selbst. Probiert Neues aus. Gabriel traut sich, allein Fahrrad zu fahren. Bei Ausflügen auf den Spielplatz klettert er. Von sich aus. Ohne Motivation und Zuspruch von außen. „Das hat er sonst nie gemacht“, freuen sich die Eltern. „Das sind dann die besonders schönen Momente.“


Bewusste Entscheidung für die Regelschule

Im Ambulanticum fassen sie auch die Entscheidung, ihren Sohn auf eine Regelschule zu schicken – und die Anmeldung an einer Förderschule rückgängig zu machen. „Da haben uns die Gespräche mit Marion Schrimpf sehr geholfen“, so Daniel Funke. Die Ambulanticum-Geschäftsführerin plädierte dafür, Gabriel so starten zu lassen, wie alle anderen. Ihn nicht aus seinem sozialen Umfeld herauszunehmen und mit dem Bus eine halbe Stunde zur Schule fahren zu lassen. Stattdessen wurde der Junge mit seinen Kindergartenfreunden eingeschult und bekommt Unterstützung von einem Schulbegleiter. Dass ihr Sohn all das schafft und kann, überrascht die Eltern nicht. „Wir haben immer gemerkt: Er kann vieles. Er braucht nur die richtige Unterstützung“, betont StefanieFunke.

Potenziale des Patienten im Fokus

Diese hat die Familie auch im AMBULANTICUM gefunden. „Die positive Einstellung des ganzen Teams, die herzliche Atmosphäre und vor allem die individuelle Therapie haben uns sehr geholfen“, weiß Daniel Funke. „Die Potenziale des Patienten stehen im Mittelpunkt. Nicht seine Schwächen.“ Der Vater lächelt und seine Frau fügt hinzu: „Gabriel hat hier vor allem eines gelernt: Du kannst viel mehr als du denkst – und als die anderen gedacht haben.“

Rollator statt Rollstuhl

Udo Rahm lernt nach schwerem Schlaganfall das Laufen neu

Udo Rahm geht zwei Schritte. Dann setzt er den Gehstock nach vorne. Die Füße folgen. Konzentriert bewegt sich der 69-Jährige über die Flure des AMBULANTICUM. Langsam. Aber er läuft. „Das war vor zwei Jahren noch undenkbar“, sagt seine Frau, Elisabeth Rahm. Ein schwerer Schlaganfall hatte Udo Rahm 2018 in den Rollstuhl gebracht. Mit der Intensivtherapie im AMBULANTICUM hat er sich wieder herausgekämpft.

Prognose: Rollstuhl auf Lebenszeit

Das Leben von Elisabeth und Udo Rahm nahm im Dezember 2018 seine einschneidende Wendung. Udo Rahm erlitt einen schweren Schlaganfall. Seine rechte Seite war sofort gelähmt. Er konnte nicht sprechen, war völlig teilnahmslos. Als dann auch noch ein Herzinfarkt hinzukam, ging „erst einmal gar nichts mehr“, erinnert sich Elisabeth Rahm an diese schweren Zeiten. Auch die Prognose, die die Ärzte im Krankenhaus stellten, machte wenig Hoffnung: Rollstuhl auf Lebenszeit.

Enorme Fortschritte

Dass diese Prognose nicht Wirklichkeit wurde, hat das Ehepaar einem Zufall zu verdanken, der die Bochumer ins Herdecker AMBULANTICUM führte: „Unsere Tochter hatte eine Klientin, die im AMBULANTICUM enorme Fortschritte gemacht hat“, so Elisabeth Rahm. Sie informierte sich über die ambulante Therapieeinrichtung und beantragte eine Intensivtherapie bei ihrer Krankenkasse, der Barmer. Sechs Wochen ambulante Therapie wurden genehmigt – und von Erfolg gekrönt.

Im Rollstuhl rein – zu Fuß raus

„Mein Mann ist mit dem Rollstuhl ins AMBULANTICUM rein und zu Fuß wieder raus“, erzählt Elisabeth Rahm glücklich. Angereist war sie im Mai 2020 mit der kleinen Hoffnung, dass ihr Mann besser stehen können wird, um die Pflege zu erleichtern. „Aber dass er wieder läuft …das hätte ich niemals für möglich gehalten.“ Sie lächelt und ihr Mann nickt bestätigend. Noch heute leidet er an Aphasie, kann nicht sprechen, nur einzelne Worte artikulieren. Doch auch ohne Worte ist seine Motivation zu spüren. Ob er zur nächsten Therapieeinheit den Aufzug nehmen will? „Nein!“, sagt Udo Rahm deutlich, schüttelt den Kopf und steht langsam auf. Denn auch Treppen kann er mittlerweile wieder gehen.

Hilfestellung für Angehörige

Mittlerweile sind Elisabeth und Udo Rahm zur zweiten Intensivtherapie im Ambulanticum – mit einem neuen Ziel: Sicher am Rollator gehen. Dabei helfen ihm gerätegestützte Therapieneinheiten auf dem Lokomaten, Physiotherapie und Ergotherapie. Und auch Elisabeth Rahm bekommt während der Therapietage zahlreiche Hilfestellungen für den Alltag zu Hause – und findet immer auch ein offenes Ohr. „So eine Diagnose betrifft ja auch die Angehörigen und stellt das ganze gemeinsame Leben auf den Kopf“, erklärt die 65-Jährige. „Da ist es eine große Hilfe, dass die Therapeuten auch auf meine Fragen eingehen.“

Den neuen Alltag meistern

Seit dem Schlaganfall pflegt sie ihren Mann, fährt ihn zur Ergotherapie, begleitet ihn bei den Aufenthalten im Ambulanticum. Das gemeinsame Haus in Bochum wurde um- und ein Aufzug an der Außenfassade angebaut. In den Wohnräumen liegen Gymnastikball, Sitzkissen oder Therabänder für die täglichen Übungen bereit. Auch wenn der neue Alltag zuweilen schwierig und die wortlose Kommunikation zwischen dem Ehepaar anstrengend ist – aufgeben war für beide keine Option. „Wir sind seit 47 Jahren verheiratet. Ein Pflegeheim kam nie in Frage“, betont Elisabeth Rahm. „Wir haben unseren Weg gefunden, mit der Situation umzugehen – und das Ambulanticum, das uns dabei unterstützt.“

„Mein Ziel ist es, so lange wie möglich mobil zu bleiben.“

Spinocerebelläre Ataxie: Ambulanticum-Therapie hilft Volker Schürmann mit der Krankheit zu leben

Volker Schürmann geht mit seinem Rollator zur Treppe. Greift das Geländer, setzt vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Er geht langsam die Stufen hinab. Langsam aber selbstständig. Diese Selbstständigkeit ist ihm wichtig. Selbstverständlich ist sie nicht. Denn Volker Schürmann hat eine spinocerebelläre Ataxie Typ 6. Die Koordination von Hand- und Beinbewegungen fällt ihm schwer, ebenso wie das sichere Stehen und Gehen. Auch Sprechstörungen und Doppelbilder gehören zu der Krankheit, deren Symptome über die Jahre hinweg immer weiter zunehmen. Mit kontinuierlicher Therapie kämpft der Rentner gegen den Verlauf an. Wie er mit der Krankheit lebt und die Therapie im Ambulanticum erlebt, hat er uns im Interview erzählt.

Wie hat Ihre Erkrankung Ihr Leben verändert?

Die spinocerebelläre Ataxie sorgt dafür, dass mein Kleinhirn degeneriert – mit allen möglichen Problemen, die das mit sich bringt. Sie beeinflusst meine Motorik, das Sprechen, den Gleichgewichtssinn. Die Sturzgefahr ist immer da. Denn das Gleichgewicht gerät bei mir schlagartig außer Kontrolle. Dank guter Therapie hier gelingt es mir aber ganz häufig, Stürze zu vermeiden. So dass ich mich in Situationen, in denen Sturzgefahr besteht, immer wieder fangen kann. Das war nicht immer so.

Wie hat sich diese Krankheit gezeigt und Ihren Alltag beeinflusst?

Das fing vor ungefähr 20 Jahren an. Ganz unscheinbar. Wenn ich normal gegangen bin, dann begann der Fußboden zu verwischen. Als nächstes habe ich nicht mehr scharf gesehen. Ich habe als Servicetechniker für Formanlagen gearbeitet und irgendwann festgestellt, dass ich die Zeichnungen nicht mehr richtig erkennen konnte. Wenn es dunkel war, verschwammen die Autos mit ihren Lichtern. Da habe ich mir schon gedacht: Irgendwas ist nicht in Ordnung. Nach einem Ärztemarathon wurde die Krankheit dann an der Uniklinik Essen nachgewiesen. Sie ist zwar nicht lebensverkürzend, aber beeinflusst mein Leben sehr, weil sie kontinuierlich fortschreitet. Bei meiner ersten Therapie im Ambulanticum 2016 konnte ich noch am Stock laufen. Das kann ich jetzt nicht mehr.

Seit fünf Jahren kommen Sie regelmäßig ins Ambulanticum. Was sind die Ziele, die Sie noch erreichen möchten?

Da man diese Krankheit überhaupt nicht aufhalten kann und es zurzeit absolut keine Medikamente gibt, die Besserung versprechen, hilft nur eine kontinuierliche Therapie. Sei es Krankengymnastik, Ergotherapie und natürlich auch Logopädie. Denn die Sprache ist mittlerweile auch stark betroffen. Diese Therapien führen zur Verlangsamung der Auswirkungen dieser Krankheit. Mein Ziel ist es, so lange wie möglich am Rollator mobil zu bleiben. Im Moment betrachte ich meinen Rollstuhl noch als Feind. Aber ich bin in einer Übergangsphase, weil die Strecken, die ich am Rollator zurücklegen kann, doch gewaltig geschrumpft sind.

Wie hilft das Ambulanticum Ihnen dabei, diese Ziele zu erreichen?

Durch die auf mich abgestimmten Therapien behalte ich meine Beweglichkeit. Es ist nicht eine einzelne Therapieform, von der ich sage: Die ist es. Die Kombination und die ständige Wiederholung machen den Unterschied. Das habe ich ganz deutlich gemerkt, als die Corona-Pandemie begann. Da gab es sechs, sieben Wochen keine Therapie. Da hat sich mein Zustand rapide verschlechtert. Ich bin häufiger gefallen bin, gehbare Strecken haben sich reduziert. In diesem Jahr, in dem ich wieder therapiert worden bin, habe ich meine alten Fähigkeiten zum größten Teil wieder zurückbekommen. So hilft mir das Ambulanticum, mein Leben relativ selbstständig bewältigen zu können.

Wie schaffen Sie es, sich selbst immer wieder zu motivieren und nicht aufzugeben?

Einmal ist es meine Grundeinstellung zum Leben. Die war immer positiv. Und ich habe nicht vor, das zu ändern. Das nächste ist das Ambulanticum. Und wenn ich Ambulanticum sage, meine ich das ganze Team. Ich komme zwei Mal in der Woche hierher. Zwischendurch auch zu Intensivtherapien. Und immer, wenn ich hier bin, wird mir geholfen. Hier zeigt man mir: Es geht nicht nur schlechter. Als ich das erste Mal hier war, sprach mich ein älterer Herr an. Damals wusste ich nicht, dass es der Ambulanticum-Geschäftsführer Dr. Krahl war. Er sagte mir: „Du musst dir eines merken: Aufgeben ist keine Möglichkeit. Auch wenn es dir mal schlechter geht – es geht immer darum, weiterzumachen.“ Und das mache ich. Ich sage mir immer, so lange ich hierherkommen kann, geht es mir gut.

Eindrucksvolle Einblicke in den Therapiealltag

Neue AMBULANTICUM-Broschüre informiert über Therapien und Behandlungsablauf

Herdecke, 15. Februar 2021.  Was sind die Ziele des AMBULANTICUM? Welche Therapieangebote gibt es? Und wie ist der Behandlungsablauf aufgebaut? Antworten auf diese und viele weitere Fragen finden Interessierte nicht mehr allein nur auf der Webseite des Herdecker Therapiezentrums. Ab sofort gibt auch eine neue Broschüre einen Einblick in die Ziele, Leistungen und Erfolgsgeschichten im Ambulanticum – im praktischen PDF-Format sowie als gedrucktes Exemplar.

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„Wir müssen einen Weg aus der Pflege bis in den Tod finden.“

Dr. Bernhard Krahl eröffnete Gesprächsreihe „Start-up 50 plus“ der Körber-Stiftung

Herdecke, 5. Februar 2021.  „Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen eine Diagnose bekommen, die sie dann wie in Stein gemeißelt den Rest ihres Lebens mit sich rumtragen“: Im Rahmen der Gesprächsreihe „Start-up 50 plus“ der Körber-Stiftung machte Zugabe-Preisträger und AMBULANTICUM-Geschäftsführer Dr. Bernhard Krahl am Mittwochabend einmal mehr deutlich, was ihn antreibt – und was mit innovativen Therapiemethoden alles möglich ist. Im Livestream tauschte sich der Gründer des Herdecker Therapiezentrums mit Andreas Westerfellhaus, Pflegebevollmächtigter der Bundesregierung, über neue Wege im deutschen Pflege- und Gesundheitssystem aus.

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Mit Unterstützung des Ambulanticum-Teams arbeitet Maren Küppers daran, wieder frei laufen zu können. Foto: Ambulanticum

3.100 Kilometer rund um Deutschland – mit Rad und Pferd

Für einen guten Zweck: AMBULANTICUM-Patientin plant „Tour der Freiheit“

Herdecke, 16. November 2020.  Einmal ganz Deutschland umrunden. Per Fahrrad und auf dem Pferderücken. Das ist der Traum von Maren Küppers. Im Jahr 2023 soll ihre „Tour der Freiheit“ starten. Bis dahin möchte die 20-Jährige noch ihr größtes Ziel erreichen: wieder frei richtig laufen können. Denn Maren Küppers hat einen inkompletten Querschnitt und ist in ihrem Alltag noch auf den Rollstuhl angewiesen. Zurzeit arbeitet sie im Herdecker AMBULANTICUM daran, wieder auf die Beine zu kommen.

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