„Das Ambulanticum hat neue therapeutische Maßstäbe gesetzt.“

Interview zum 10-jährigen Bestehen der Herdecker Therapieeinrichtung

Herdecke, 10. März 202210 Jahre Ambulanticum Herdecke: Das ambulante interdisziplinäre Therapiezentrum begleitet seit 2012 Kinder und Erwachsene mit erworbenen Erkrankungen des zentralen Nervensystems (ZNS) auf ihrem Weg zurück in ein selbstbestimmtes Leben. Rund 2.850 Patient:innen sind seit den Anfängen im Ambulanticum behandelt worden, das mit einem interdisziplinären, individuell ausgerichteten Therapiekonzept eine neue Richtung in der gesundheitlichen Nachsorge einschlägt. Allein 200 Intensivpatient:innen werden Jahr für Jahr von dem 38-köpfigen Team aus Sportwissenschaftler:innen, Physiotherapeut:innen, Ergotherapeutinnen, Sprachtherapeuten, Logopädinnen, Verwaltung und einer Sozialarbeiterin behandelt und betreut.

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„Wir haben bewiesen, dass unser patientenorientierter Therapieansatz funktioniert.“

10 Jahre Ambulanticum: Im Gespräch mit Marion Schrimpf und Dr. Bernhard Krahl

2007 erlitt Dr. Bernhard Krahl zwei schwere Schlaganfälle, die er nur knapp überlebte. Der Zahnarzt und Inhaber eines Dental-Spezialartikel Unternehmens kämpfte sich entgegen allen Prognosen zurück ins Leben. 2012 gründete der heute 74-Jährige gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Marion Schrimpf das Ambulanticum, ein interdisziplinäres Therapiezentrum für Kinder und Erwachsene mit Erkrankungen des zentralen Nervensystems. Menschen, die nach Schlaganfällen, Querschnittlähmungen, Schädelhirntraumata, ICP und Diagnosen wie Multipler Sklerose oder Parkinson wieder auf die Beine kommen möchten. Seit zehn Jahren finden sie im Ambulanticum Unterstützung und Hoffnung. Wie die Gründer und Geschäftsührer der Herdecker Therapieeinrichtung diese Zeit erlebt haben, welche Herausforderungen sie meistern mussten und was sie sich für die Zukunft wünschen, erzählen Marion Schrimpf und Dr. Bernhard Krahl im Interview.

10 Jahre Ambulanticum: Wenn Sie darüber nachdenken, was kommt Ihnen als erstes in den Sinn?

Dr. Bernd Krahl:

Zuallererst sind es unglaublich viele Erfolgsgeschichten, an die ich denke.  Damit meine ich die Erfolge des Ambulanticum selbst. Es entspricht mit seinem Therapiekonzept nicht dem etablierten System, hat sich gegen viele Widrigkeiten durchgesetzt und neue therapeutische Maßstäbe definiert. Und natürlich denke ich auch an die Erfolge unserer Patient:innen.

Marion Schrimpf:

Wir sind stolz auf diese zehn Jahre. Stolz, dass wir bewiesen haben, dass der von uns gelebte patientenorientierte Ansatz funktioniert und dass Menschen, die als austherapiert abgestempelt werden, mit den richtigen Mitteln und Methoden großartige Fortschritte erreichen können. Sie erlangen Autonomie, Selbstbewusstsein und Handlungsfähigkeit wieder. Das motiviert uns, weiterzumachen. 10 Jahre Ambulanticum sind ein guter Anfang. Aber es gibt noch viel zu tun, damit eine effiziente und effektive Therapie wie wir sie im Ambulanticum vorleben, zur Regelversorgung wird.

Wie haben Sie die Anfänge des Ambulanticum erlebt?

Dr. Bernhard Krahl:

Es gab sehr viele Schwierigkeiten. Wir mussten uns von unseren Gründungspartnern trennen. Es gab quasi eine „Vollbremsung“ bei der Finanzierung, später dann waren alle finanziellen Ressourcen aufgebraucht und wir standen kurz vor der Insolvenz. Mit unserem privaten Vermögen sind wir dann volles Risiko gegangen. Wir haben weiter an das Projekt geglaubt – immer mit dem Ziel, unseren Patienten Hoffnung und eine neue Lebensperspektive zu geben.

Was waren auf dem Weg von den Anfängen bis zum 10. Geburtstag besondere Herausforderungen?

Marion Schrimpf:

Die bisher größte Herausforderung war die Anerkennung des Therapiekonzeptes in der Nachsorge durch die Kostenträger. Und diesen Kampf fechten wir bis heute aus. Wir kämpfen unentwegt dafür, das Konzept der Intensivtherapie im AMBULANTICUM® in die Regelversorgung zu bringen und diese Form der Therapie als eine eigene Säule neben der bestehenden medizinischen und pflegerischen Versorgung im Gesundheitssystem zu etablieren. Um das zu erreichen, haben wir ein interdisziplinäres Therapiekonzept erarbeitet, ein breites internationales Netzwerk aufgebaut und ein Team aus Therapeut:innen zusammengestellt, das unsere Vision mit uns trägt und vorantreibt.

Trotz aller Anfangsschwierigkeiten und Herausforderungen: Würden Sie diesen Schritt der Gründung noch einmal gehen?

Marion Schrimpf:

Ja, die Gründung des AMBULANTICUM® war ein notwendiger Schritt. Therapieeinrichtungen wie unsere werden dringend gebraucht.

Aber die letzten zehn Jahre haben auch gezeigt: So ein Projekt ist keines, das man nur aus Vernunftgründen angeht. Für so ein Projekt muss man brennen. Ansonsten überlebt man in unserem streng reglementierten Gesundheitssystem nicht – insbesondere, wenn man keine Wegbegleiter hat und alles – wie wir – selbst finanziert.

Wofür steht das Ambulanticum Ihrer Ansicht nach heute?

Marion Schrimpf:

Das Ambulanticum steht für ein einmaliges Konzept für Kinder und Erwachsene mit einer erworbenen Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS). Unsere Therapie stellt unsere Patient:innen in den Mittelpunkt. Wir vereinen alle therapeutischen Maßnahmen verschiedener Disziplinen individuell zum Wohle der Patient:innen und bringen sie in Einklang, um ein bestmögliches Ergebnis zu erzielen.

Dr. Bernhard Krahl:

Im AMBULANTICUM ermöglicht man den angeblich „austherapierten“ Patient:innen eine erfolgreiche individualisierte Intensivtherapie. Sogar nach vielen Jahren der Erkrankung machen sie noch Fortschritte und kommen ihrem Ziel wieder ein Stück näher. Darum steht das Ambulaticum für Hoffnung, die es den Menschen gibt, die als austherapiert gelten. Wir haben gezeigt, dass es sich lohnt, nach zeitgemäßen anderen Wegen zu suchen und nicht aufzugeben – und dass die Diagnose „austherapiert“ noch lange nicht das Ende ist.

Wie sehen Sie die Zukunft: Was möchten Sie mit dem und für das Ambulanticum und seine Patienten noch erreichen?

Dr. Bernhard Krahl:

Wir werden das Ambulanticum in eine Stiftung umwandeln. So ist die Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit langfristig gewährleistet – auch nach unserem Ausscheiden. Wir möchten, dass dieses zielführende Trainingstherapiekonzept des Ambulanticum von allen Kostenträgern akzeptiert wird und alle Kinder und Erwachsene mit einer Erkrankung des ZNS in naher Zukunft davon profitieren können.

Marion Schrimpf:

Dafür muss allerdings ein Umdenken in Gesellschaft und Politik erreicht werden. Die bürokratischen Hürden für eine solche Therapie müssen abgebaut werden. Und vor allem dürfen solche Therapiemöglichkeiten nicht am Geld scheitern. Bei einem sowieso schon unfairen Kampf, in dem es darum geht, sich Dinge „zurückzuerobern“, die den meisten Menschen selbstverständlich erscheinen, sollten zumindest alle die gleichen Chancen haben. Und die Hoffnung, wieder ein selbstbestimmtes Leben führen zu können.

Labor für experimentelle Prozess- und ERP-Forschung der FH-Südwestfalen

Die Fachhochschule Südwestfalen und insbesondere das Labor für experimentelle Prozess- und ERP-Forschung erforscht gemeinsam mit raktikern, Studierenden und Promovierenden innovative Technologien und Prozessen wie z. B. Robotic Process Automation (RPA), SAP© S/4HANA oder Process Mining.

Wir erarbeiten experimentell Lösungsvorschläge, die einen konkreten Nutzen in den Anwendungsfeldern unserer jeweiligen Praxispartner versprechen. Mit den Praxispartnern, Studierenden und Promovierenden erforschen und entwickeln wir Strategien zum Einsatz neuer Technologien und Methoden on der Pilotierung bis zum Einsatz. Dabei liegt ein Augenmerk auf das Design der Prozesse und auf Aspekten des Change Managements.

Gerade im Gesundheitswesen sind viele Akteure auf die Hilfe von außen angewiesen – insbesondere bei dem Thema Digitalisierung, Virtualisierung und Automatisierung. Denn nach unserer Erfahrung steigt der Digitalisierungs- und Automatisierungsgrad schneller als das Wissen über die neuen Technologien, bspw. den Einsatz Künstlicher Intelligenz im Prozessmanagement. Dieses Wissen wird aber dringend benötigt, um die zielgerichtete Digitalisierung und Automatisierung von Prozesse zu unterstützen.

An dieser Stelle setzt unser Labor an und möchte unterstützen, um Prozesse in Unternehmen mit technologischen Komponenten erfolgreich zu digitalisieren und automatisieren und Mitarbeiter zu befähigen, das Zusammenspiel der dahinterstehenden Technologien zu verstehen und zu nutzen.

Hierzu nutzen wir verschiedene Werkzeuge wie die RPA-, integrierte Informationssysteme, Plattformökonomie und Process Mining als Technologie. Wir untersuchen, wie Geschäftsprozesse in diesem Kontext modelliert, visualisiert und gesteuert werden können. Unser Ziel ist es, das Zusammenspiel der Prozessschritte sowie der Entscheidungsunterstützung auf Basis von Daten des Gesundheitssektors zu untersuchen, um anschließend Prozesse im realen Kontext zu optimieren.

Durch den klassischen Lean Six Sigma-Ansatz setzen wird einen bewährten Standard im Projekt-, Prozess- und Qualitätsmanagement um. Durch die Arbeit mit unseren Praxispartnern erhalten wir die wertvolle Gelegenheit, mit neuen hochvolumigen Prozessdaten zu arbeiten und die Randbedingungen der Softwarearchitektur an die Anforderungen von Optimierungsmethoden und realen Rahmenbedingungen anzupassen. Uns liegt die Unterstützung der Praxispartner am Herzen, um einen Nutzen für alle beteiligten Nutzergruppen des Labors (Studierende, Lehrende, Forschende) zu generieren.

Weitere Informationen zur Fachhochschule Südwestfalen:
www.fh-swf.de

Kontaktdaten:
Carolin Vollenberg
Fachbereich Technische Betriebswirtschaft
Fachhochschule Südwestfalen
Haldener Str. 182 | D-58095 Hagen
E-Mail: vollenberg.carolin@fh-swf.de

IHR Rehabilitations-Dienst GmbH

Der IHR ist Ihr Ansprechpartner für Reha- und Gesundheitsmanagement, Leistungsprüfung in der Berufsunfähigkeit, Sozialberatung und Betriebliches-Eingliederungsmanagement.

Für Menschen, die nach folgenschwerem Unfall oder Krankheit Unterstützung und Hilfe bei der medizinischen, beruflichen und sozialen Rehabilitation brauchen, sind wir der erfahrene und unabhängige Partner und Lotse. Wir verfügen über langjährige Praxis und Erfahrung in der erfolgreichen Integration und Rehabilitation schwer Betroffener. Unser engagiertes Team aus Fachberater*Innen vor Ort und das zentrale Dienstleistungsmanagement in Köln stehen dabei sowohl den Betroffenen und deren Familien wie auch deren Rechtsanwälten, Versicherungen, Unternehmen und Gesundheitsdienstleistern beratend und koordinierend zur Seite.

Der IHR berät und moderiert die erforderlichen Phasen und fungiert mit seinen Berater*innen als Bindeglied zwischen allen Beteiligten und agiert für Sie als externer Dienstleister in diesem individuellen Beratungsprozess, um Ihrem Unternehmen und Ihren Mitarbeitern optimale Lösungswege aufzuzeigen und sie zu begleiten.

Das folgende Video gibt eine Übersicht über das Leistungsspektrum (externer Link zur IHR Website).

So können wir u.a. dazu beitragen:

  • Ärztliche Zweitmeinungen zeitnah zu erhalten
  • Arzttermine zu beschleunigen
  • Optimale Therapiemöglichkeiten zu finden und zeitgerecht zu beginnen
  • Kostenübernahme über die Sozialversicherungsträger zu gestalten
  • Und vieles mehr …

Weitere Informationen zum IHR Rehabilitations-Dienst
www.ihr-rehadienst.com

Kontaktdaten:
IHR Rehabilitations-Dienst GmbH
Theodor-Heuss-Ring 52
50668 Köln
Mail: Info@ihr-rehdienst.com
Tel.: +49 (0) 221 29231 600

Von wegen für immer

Rainer Erb kämpft sich aus dem Rollstuhl – und hat ein Buch darüber geschrieben

Rainer Erb sitzt an seinem Computer und arbeitet, als seine Knie plötzlich schwach werden. Der 55-jährige Zimmermeister fällt vom Stuhl – und kann sich nicht mehr bewegen. Von jetzt auf gleich ist er querschnittsgelähmt. Die Ursache ist bis heute unbekannt. Die erste Prognose lautet: Rollstuhl für immer. Ein Schicksal, in das sich Rainer Erb nicht fügen möchte. Er kämpft dafür, wieder auf die Beine zu kommen. „Von wegen für immer“ ist sein Motto – und der Titel eines Buches, das seine Geschichte erzählt.

Im Labyrinth aus Therapien und Anträgen

Zwölf Tage Erstversorgung im Krankenhaus Fulda. Sieben Monate in einer Spezialklinik in Bad Wildungen. Dann drei Monate Reha mit Vojta- und Wassertherapie. Nach den ersten sechs Monaten gibt es kleine Fortschritte, Rainer Erb kann ein Bein leicht bewegen. Zurück zu Hause beginnt die Physiotherapie vor Ort – bis zu 20 Stunden in der Woche arbeitet Rainer Erb an seinem Ziel, wieder laufen zu können. 

„Momentan gibt es für mich Therapie, Essen, Schlafen und Trinken“, sagt der Fuldaer. Aber für ihn gibt es auch:  ein Labyrinth aus Therapiemöglichkeiten, Anträgen und Absagen. Auch hier kämpft Rainer Erb sich durch – und schreibt alles auf. Das, was ihm durch den Kopf geht. Das, was er aus den Therapien mitnimmt. Das, was er im Bürokratiedschungel erreicht. Die Aufzeichnungen helfen ihm, seine Situation zu verarbeiten. Sie stützen ihn, treiben ihn an und werden die Grundlage seines Buches, mit dem er vor allem eines erreichen möchte: anderen helfen, die in einer ähnlichen Situation sind. „Ich möchte zeigen, dass man die Dinge auch selbst in die Hand nehmen muss, um was zu erreichen“, betont Rainer Erb.

Ein Training, das fordert und fördert

Die Arbeit an seinem Buch führt ihn auch ins Ambulanticum: Seine Biographin, Dagmar Wagner, macht ihn auf die ambulante Therapieeinrichtung aufmerksam. Schon beim Blick auf die Website merkt er: Die machen genau das, was ich brauche. Ein intensives, individuelles Training, das fördert und fordert. „Dabei gehe ich an meine Leistungsgrenze. Ich lasse nicht locker“, erzählt Rainer Erb, der von dem Therapiekonzept und der Umsetzung überzeugt ist: „Die Therapeut:innen sind richtig gut geschult und die vielen Hilfsmittel und Trainingsgeräte gibt es woanders in dieser Form nicht.“

Frei laufen – bis zur Rente

Gemeinsam mit seinen Therapeut:innen arbeitet Rainer Erb zurzeit daran, frei zu stehen, am Rollator zu gehen sowie an seiner Motorik und der Kraftentwicklung. „Mittlerweile drücke ich 20 Kilo mehr als in der letzten Therapiephase“, sagt er nicht ohne Stolz. Auch die Stabilität im Rumpfbereich hat sich wesentlich verbessert: „Zu Beginn war ich nach zehn Minuten Spacecurl-Training klatschnass geschwitzt – jetzt geht es mir danach gut. Das kann ich dem Ambulanticum zuschreiben.“ Im März kommt er noch einmal für eine weitere Intensivtherapie zurück ins Ambulanticum – und seinem Ziel vielleicht wieder ein ganzes Stück näher: „Bis zu meiner Rente in sieben Jahren möchte ich frei laufen können“, sagt Rainer Erb, während er sich auf den Weg zur nächsten Therapieeinheit macht. „Und dann. Dann schreibe ich ein zweites Buch“, sagt er. Und lächelt.

Weitere Infos zum Buch gibt es hier.

Der Wille, helfen zu wollen

Assistenten im Alltag unterstützen bei Ambulanticum-Aufenthalt

Für Borislav Davidkov war es ein ganz normaler Arbeitstag. Der Architekt hatte eine Besprechung, stand vor vielen Menschen in einem Raum mit wenig Sauerstoff. Auf einmal brach er zusammen, schlug mit dem Kopf auf dem Tisch auf, wurde bewusstlos – und wachte in einer völlig neuen Lebenssituation wieder auf: Seit dem Unfall ist der 53-Jährige vom Hals abwärts gelähmt. Im Ambulanticum möchte er sich einen möglichst normalen, selbstständigen Alltag erarbeiten. Dabei bekommt er Unterstützung von den „Assistenten im Alltag“. Der Assistenzdienst aus Unna begleitet und betreut den Frankfurter während seiner Intensivtherapie – 24 Stunden lang, rund um die Uhr.

Aufstehen, vom Bett in den Rollstuhl kommen, waschen, essen. Bei all diesen Tätigkeiten braucht Borislav Davidkov Hilfe. Durch seinen inkompletten Querschnitt hat er eine schwache Rumpfstabilität. Lange Zeit konnte er nicht ohne Rückenlehne oder auf einem normalen Stuhl sitzen. Es fällt ihm schwer, das Gleichgewicht zu halten und seine Beine zu nutzen. Auch die Arme sind in den Bewegungen eingeschränkt, die Hände kann er nur leicht einsetzen. Die ambulante Therapie im Ambulanticum – die Wechsel zwischen den Therapieräumen, die Trink- und Essenspausen – wären ohne Assistenten für ihn nicht machbar. „Trotzdem ist eine Therapie bei uns möglich“, betont Marion Schrimpf, Geschäftsführerin der Herdecker Einrichtung.

Ängste nehmen. Vertrauen aufbauen.

Nach Sichtung aller Anträge, Untersuchungsergebnisse und Klinikunterlagen griff sie zum Telefon und schlug Borislav Davidkov für die Therapiephasen die Zusammenarbeit mit einem Assistenzdienst vor. Der nahm den Vorschlag an und Kontakt zu Mark Oberstadt, Gründer und Geschäftsführer der „Assistenten im Alltag“, auf. „Ich wusste nicht, was mich erwartet, war unsicher und hatte viele Fragen“, erinnert sich der Ambulanticum-Patient an das erste Telefonat. Doch die Sorgen wurden ihm schnell genommen. „Ich habe sofort den Eindruck bekommen: Das sind erfahrene Leute, die kennen sich aus. Die Zuversicht, die verbreitet wurde, hat auch meine letzten Zweifel beseitigt.“ Ängste nehmen. Vertrauen aufbauen. Zuhören. Das ist Mark Oberstadt und seinem Team sehr wichtig. „Wir verbringen ja viel Zeit mit unseren Kunden, unterstützen auch in Pflege- oder privaten Situationen. Da muss die Chemie stimmen – und das Vertrauen auch.“

Möglich machen, was möglich sein muss

Auf das erste Telefonat folgte ein Kennenlerntag, an den beide schmunzelnd zurückdenken: Als die Assistenten mit ihrem Transporfahrzeug – einem Caddy – vorfuhren, war dem 1,95 Meter großen Borislav Davidkov sofort klar: „Mit Elektrorollstuhl passe ich da nicht rein“. Und er sollte recht behalten. „Da hatte ich mich etwas verschätzt“, erzählt Mark Oberstadt und muss bei der Erinnerung lachen. Ein Hinderungsgrund für eine Zusammenarbeit war das aber nicht. Der Geschäftsführer des Unnaer Assistenzdienstes schaffte kurzerhand ein größeres Fahrzeug an: „Wir versuchen immer, möglich zu machen, was möglich sein muss.“

Enge Abstimmung: Ambulanticum und Assistenzdienst

Der Fahrdienst vom Appartment zum Ambulanticum ist allerdings nur eine von vielen Aufgaben, die das Assistenzteam übernimmt. Zwischen acht bis neun Assistent:innen,- darunter auch Pflegekräfte – kümmern sich im Wechsel, aufgeteilt in Tages- und Nachtschichten, um die 24-Stunden-Betreuung. Sie kaufen ein, kochen, helfen bei der Körperpflege, beim Umziehen, beim Transfer in den Rollstuhl und unterstützen während der Therapiezeiten, wann und wo es nötig ist.

Dabei arbeitet das Team eng mit dem Ambulanticum zusammen. So wurde zum Beispiel der Therapieablauf flexibel geregelt: „Da die Morgenroutine vom Weckerklingeln bis zur Abfahrt mit dem Transporter rund drei Stunden benötigt, fängt für Herrn Davidkov kein Therapietag vor 10 Uhr an“, erklärt Mark Oberstadt. „Die Zusammenarbeit mit dem Ambulanticum läuft sehr gut. Wir werden problemlos miteingebunden und das wirkt sich natürlich auch positiv auf die Betreuung aus.“ Für Borislav Davidkov hat die Kooperation zwischen Ambulanticum und Assistenzdienst die ambulante Therapie erst möglich gemacht – und geholfen auch Probleme und Unwägbarkeiten auf dem Weg zu meistern. „Es war und ist mir ganz wichtig, dass die Motivation und der Wille da sind, mir helfen zu wollen. Und beides war immer da.“

 

IM GESPRÄCH

„Im Ambulanticum merke ich, was machbar ist.“

Borislav Davidkov setzt sich in der Intensivtherapie immer neue Ziele

Lange Klinik- und Rehaaufenthalte, Ergo- und Physiotherapieeinheiten: Seit seiner unfallbedingten Querschnittlähmung vor zwei Jahren hat Borislav Davidkov schon einige Therapien und Anwendungen kennengelernt. Ein Jahr nach dem Unfall erkannte er Fortschritte in seiner körperlichen Entwicklung. In den heimischen Therapie-Einheiten gelangen Stehversuche und bald auch erste Gehversuche. Er suchte nach einer Therapie, die ihn noch intensiver unterstützt. Die Intensivtherapie im Ambulanticum ist für ihn ein neuer Ansatz: Seit August 2021 trainiert er in der Herdecker Einrichtung 5,5 Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche. Im Interview spricht er über seine Therapie und seine Ziele.

Wie erleben Sie die Therapie im Ambulanticum?

Ich finde es hier super. Die Therapie bekommt mir wirklich gut. Das Training ist effektiv, aber auch sehr anstrengend. Darum finde ich es sinnvoll und richtig, dass auf die vierwöchigen Trainingsphasen auch immer wieder Auszeiten folgen. Jede Trainingsphase bringt mich einen Schritt vorwärts. Die Trainingseinheiten und die Abstimmung der Physio-Ergo-, Logopädie- und Sporttherapie koordinieren meine Paten ganz hervorragend gezielt und individuell. Ich laufe täglich. Manche Einheiten mit gerätetechnischer Unterstützung wie im Lokomat und immer wieder am Unterarm-Rollator. Meine Selbstständigkeit in dieser Therapie zun erleben, motiviert mich sehr.  

Welche Ziele möchten Sie mit dem Training erreichen?

Grundsätzlich möchte ich so viel Selbstständigkeit und Mobilität wie möglich zurückerlangen. Ich möchte mein Gleichgewicht halten, selbstständig aufstehen, am Rollator laufen können. Am Computer arbeiten und eigenständig essen. Diese Wünsche habe ich durch das Ambulanticum in Ziele formuliert. Und hier merke ich auch, dass es machbar ist, diese Ziele zu erreichen. Vielleicht nicht alle und nicht in schnellen Schritten – aber kontinuierlich.  

Was haben Sie durch das Training bisher erreicht?

Das Team vom Ambulanticum hat hervorragende Arbeit geleistet und mir zu vielen Fortschritten verholfen. Grundsätzlich sind alle Funktionen der Arme und Beine, die ich zu Beginn der Therapie hatte, viel stabiler und selbstverständlicher geworden. Ich kann mittlerweile viel besser sitzen. Meine gesamte Rumpfstabilität hat sich enorm verbessert. Dabei hilft mir das Aufstehtraining sehr. Auch bin ich viel mobiler als zuvor und sitze viel öfter im Aktivrollstuhl. Ich weiß jetzt, wie ich meine Arme einsetzen kann und muss, um mich darin sicher fortzubewegen. Nicht immer auf den E-Rollstuhl angewiesen zu sein – das ist ein weiteres Ziel von mir. Das setzt aber voraus, dass der Transfer vom Rollstuhl in ein normales Auto funktioniert. Und das ist jetzt noch nicht möglich –  aber eines meiner zukünftigen Ziele. 

Die Therapie

Die Intensivtherapien im Ambulanticum folgen einem bewährten Behandlungsablauf, der Patient:innen und Angehörige in die Planung und Zielsetzung der Therapie miteinbezieht. Auf diese Weise entstehen sehr individuelle Trainingspläne, die kontinuierlich an die Fortschritte angepasst werden. Die Therapieeinheiten von Borislav Davidkov waren in kleine Choreografien unterteilt: Die erarbeiteten Fähig- und Fertigkeiten konnten so schrittweise in den Alltag übertragen werden. Der Patient lernt, welche Abläufe er alleine meistern kann und wo noch Unterstützung notwendig ist. Da auch Angehörige mit diesen Choregrafien und Abläufen vertraut gemacht werden, wird der gemeinsame Alltag – der Übertrag von der Therapie- zur Heimphase zu Hause – erleichtert.

Weitere Informationen zur Therapie im Ambulanticum gibt es unter www.ambulanticum.de

 

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