Im Angriffsmodus

Constantin Weck erkämpft sich sein eigenständiges Leben zurück

Constantin Weck hat schon immer viel Sport gemacht – mit dem Rennrad, dem Mountainbike oder eben auch als Läufer: Die rund 42 Kilometer beim Marathon schaffte er unter drei Stunden. „Als Sportler bist du es gewohnt, dich zu schinden“, sagt er. „Und man hat ein starkes Mindset.“ Beides kommt dem 35-Jährigen jetzt zugute: Seit einem Mountainbike-Unfall vor zwei Jahren, bei dem sein sechster und siebter Halswirbel verletzt wurden, ist Constantin Weck gelähmt – und „im Angriffsmodus“, wie er sagt. Auch mit Hilfe des Ambulanticum will er zurück auf die Beine kommen.

Nie wieder laufen

Als der Vorderreifen des Mountainbikes kurz vor dem Absprung wegrutschte und Constantin Weck mit dem Rad voll gegen einen Baum prallte, gaben auch Vollschutzhelm und Rückenprotektoren nicht ausreichend Schutz. Seine Halswirbelsäule wurde so schwer verletzt, dass der Sportler nach einer Not-Operation noch sieben Monate lang in einer Spezialklinik behandelt werden musste. Die damalige Prognose der Ärzte war wenig hoffnungsvoll: „Sie waren sicher, dass ich in meinem Leben nicht mehr laufen werde“, so Constantin Weck, der zu der Zeit vom Hals abwärts nichts bewegen konnte. „Alles war weg“, beschreibt er seinen Zustand in der Zeit direkt nach dem Unfall. Unterkriegen ließ er sich  aber nicht. „Ich bin mental recht stark und wollte mich sofort wieder zurückkämpfen“, erzählt er. „Mein wichtigstes Ziel war, so gut wie keinen Pflegedienst zu brauchen.“

Therapietipp Ambulanticum

Dieses Ziel hat Constantin Weck in Rekordzeit erreicht: „Ich war der erste Tetraplegiker, der das Krankenhaus nach sieben Monaten verlassen hat und vieles selbstständig konnte.“ Er übte schon im Krankenhaus sich selbst zu kathetern, recherchierte Abführmethoden, arbeitete anschließend in der dreimonatigen Reha weiter an seinem Ziel so selbstständig wie möglich leben zu können, bekam aber auch immer wieder die Folgen des Personalmangels in der Pflege zu spüren. „Die Pfleger waren super, aber sie können nur noch Fließbandarbeit machen“, musste Constantin Weck feststellen. „Doch sie haben gemerkt, dass ich wollte und auch mache und mich dann gefördert und gefordert.“

Dann bekam er die Empfehlung, sich das Ambulanticum einmal näher anzuschauen. Im Oktober 2022 fand das Vorstellungsgespräch statt, die Abwicklung mit der Techniker Krankenkasse, die einen Rahmenvertrag mit dem Therapiezentrum hat, verlief zügig: Im darauffolgenden Januar startete Constantin Weck den ersten Block seiner Intensivtherapie in Herdecke. Mittlerweile sind die drei Therapiephasen um, in denen der Produktdesigner daran arbeitete, selbstständig am Rollator zu gehen und die Transfers in und aus dem Rollstuhl ohne Hilfe zu bewältigen.

Deutliche Fortschritte

Dafür arbeitete Constantin Weck mit dem Therapeutenteam an „allen Schwachstellen“, wie er sagt, bekam Ergotherapie, trainierte im Lokomat und auf dem C-Mill. Auf dem Laufband zeigten sich die Fortschritte besonders deutlich: „Erst konnte ich nur 50 Meter auf dem C-Mill laufen, nach vier Wochen Training war es mehr als das Doppelte“, erzählt Constantin Weck, der zudem mit Hilfe von Orthesen lernt, wieder zu gehen. „Ich hätte selbst nicht gedacht, dass ich solche Fortschritte mache.“

Möglich gemacht hat das seine Motivation und sein Kampfgeist, die Unterstützung von Freundin, Familie und Freundeskreis – und das Herdecker Therapiekonzept. „Das Training ist sehr intensiv. Und die Menschen, die hier arbeiten, haben eine enorme Erfahrung. Und sie kennen ihre Patienten und die individuellen Ziele“, betont Constantin Weck, der nach einer Wiedereingliederung wieder arbeitet und mit seinem eigenen Auto jeden Tag zum Arbeitsplatz pendelt – ein weiterer Meilenstein auf seinem Weg zurück in ein unabhängiges Leben.

Nach der Risiko-OP im Rollstuhl

Fritz Grupe galt als austherapiert, im Ambulanticum lernt er das Laufen wieder

Eigentlich sollte der Drei-Jahres-Check beim Hausarzt nur Routine sein – doch die Untersuchung setzte für Fritz Grupe einen OP-Marathon in Gang. Der rettete ihm zwar das Leben, führte ihn aber gleichzeitig in ein Leben voller Herausforderungen: Bei einem der Eingriffe wurde sein Rückenmark verletzt und der 69-Jährige konnte von einem Tag auf den anderen nicht mehr laufen. Nach Irrwegen durch Rehakliniken hat Fritz Grupe mit dem Ambulanticum ein Therapiezentrum gefunden, das ihn dabei begleitet, wieder auf die Beine zu kommen – und das im wahrsten Sinne des Wortes.

Rückenmark verletzt

Von der Routineuntersuchung zur Risiko-OP und in den Rollstuhl: Als der Hausarzt beim Gesundheitscheck hohen Blutdruck und Probleme am Herzen festgestellt hatte, ging alles ganz schnell. Ein MRT zeigte drei Aneurysmen an der Aorta. Drei Operationen waren notwendig. Der erste Eingriff verlief problemlos. Nach dem zweiten verrutschten die Stents, die gelegt wurden, und setzten sich vor den Niereneingängen fest. „Das ist eigentlich tödlich“, sagt Fritz Grupe nachdenklich. Eine zehnstündige Operation sollte das Schlimmste abwenden – und ging schief. „Bei dem Eingriff wurde das Rückenmark beschädigt“, erinnert sich der Hamburger, der nach der Operation seine Beine nicht mehr fühlen konnte. „Die Ärzte sagten mir da noch, dass ich in zwei Wochen wieder laufen könne“, denkt Fritz Grupe an die Zeit zurück. „Aber das war nicht so.“ Die spätere Diagnose lautete: Paraparese in beiden Beinen

Arzt attestiert „austherapiert“

Der damals 69-Jährige kam in eine Rehaklinik nach Berlin, wurde dort drei Monate lang therapiert. „Mehr schlecht als recht“, betont der ehemalige Unternehmensberater. Patienten unterschiedlichster Fachrichtungen, Gruppen- statt Einzeltherapien, keine festen Therapeut*innen und der beklemmende Eindruck, einfach nur „untergebracht“ worden zu sein: „Ich habe mich sehr alleingelassen gefühlt“, so Fritz Grupe, der auch in einer Tagesklinik in seiner Heimatstadt keine Fortschritte mehr machte. „Ich konnte am Rollator laufen, aber mehr nicht.“ Die Abschlussuntersuchung des Neurologen zerstörte alle Hoffnungen auf Besserung. Der Arzt attestierte Fritz Grupe, er sei „austherapiert“. Für den Mann, der zumindest wieder am Gehstock laufen wollte, war das ein herber Schlag. „Ich wollte nicht auf den Rollator angewiesen bleiben“, so Fritz Grupe, der im Laufe seiner Erkrankung auch immer wieder mit schweren seelischen Tiefs zu kämpfen hatte. „Für mich fühlte sich das so an, als sei ich nicht vollständig.“

Abseits klassischer Therapiewege

Dann kam der Vorschlag von der Techniker Krankenkasse, der die Wende brachte: ein Kennenlerntermin im Ambulanticum. Von Anfang an fühlte sich Fritz Grupe in dem Herdecker Therapiezentrum gut aufgehoben. „Alle Therapeut*innen sind fachlich zugewandt, sehr kompetent, empathisch und auch kreativ“, sagt er und lächelt. „Jeder neurologische Patient ist anders und für jeden werden gute Lösungen gefunden – auch abseits der „klassischen“ Therapien.“ So gab es für Fritz Grupe neben Gang- und Gleichgewichtstraining, Krankengymnastik und vielen Einheiten auf dem C-Mill auch mal den ein oder anderen Spaziergang über den Parkplatz oder auch zum Wald – ohne Rollator, nur gestützt durch die Hand seiner Therapeut*innen. „Einmal habe ich mit einer Therapeutin auch langsamen Walzer getanzt. Und das ging gut.“ Fritz Grupe nickt zufrieden. Nach der dritten Intensivtherapie in der Einrichtung kann er einige Schritte ohne Hilfsmittel gehen. „Alles andere ist jetzt Übungssache“, sagt er. „Dass ich so weit komme, hätte ich nicht gedacht. Das haben die Menschen und die Therapien im Ambulanticum erreicht – kein anderer hat das geschafft.“

„Erst einmal ist nichts unmöglich.“

Michael Tacke trainiert nach schwerem Fahrradunfall für mehr Selbstbestimmtheit.

„Ich hätte nie gedacht, dass ich mal so weit komme.“ Als Michael Tacke das sagt, lächelt er leicht, mit nachdenklichem Blick. Die letzten fünf Jahre waren für den fast 60-Jährigen eine Achterbahnfahrt, die mit einem schweren Fahrradunfall begann und ihn schließlich ins Ambulanticum führte. In dem Herdecker Therapiezentrum arbeitet er sich aus dem Rollstuhl zurück in ein unabhängigeres und selbstbestimmtes Leben.

Sturz in den Graben

Der Arbeitstag war lang und anstrengend. Als Michael Tacke im Oktober 2017 auf sein Fahrrad stieg, um endlich nach Hause zu kommen, war es schon dunkel. Plötzlich wechselte der Untergrund von Asphalt zu Rasen, das Rad überschlug sich, Michael Tacke landete in einem Graben – und konnte sich vom Hals abwärts nicht mehr bewegen. Inkompletter Querschnitt aufgrund gebrochener Hals- und Brustwirbel war die Diagnose, mit einer Prognose hielten sich die Ärzte zurück. „Das war für mich gut“, blickt Michael Tacke zurück, „weil ich immer noch die Hoffnung hatte, es ist noch was möglich.“ Denn eines war dem Gütersloher sofort klar, als er nach einer achtstündigen Operation wach wurde: So möchte er sein Leben nicht weiterführen.

Liegenbleiben oder loslegen

Ein Therapeut in der Bad Wildungener Spezialklinik, in der Michael Tacke fast acht Monate lang behandelt und therapiert wurde, gab den entscheidenden Ausschlag: „Er sagte mir, ich könnte einfach im Bett liegen bleiben oder versuchen, was geht“, blickt der ehemalige Sparkassen-Angestellte zurück. Und Michael Tacke entschied sich für den Versuch: Mit seinem Therapeuten arbeitete er intensiv, wieder zu Hause ging er vier Mal in der Woche zur Physio- und Ergotherapie. Von seinem Arzt, der als Ansprechpartner von der Unfallkasse bestellt worden war, bekam er dann die Empfehlung, ins Ambulanticum zu gehen. 2019 hatte Michael Tacke dort seine erste Therapiephase. „Damals bin ich noch im Rollstuhl ins Ambulanticum reingekommen“, erinnert er sich. Heute benutzt er dieses Hilfsmittel nur noch im Badezimmer. Alles andere erledigt Michael Tacke mit seinem Rollator.

Jeder einzelne Patient im Mittelpunkt

„Das war eine der ersten Fragen, die mir das Therapeutenteam gestellt hat, als es um meinen Tagesablauf zu Hause ging: Warum machst du das nicht mit dem Rollator?“, sagt Michael Tacke und muss schmunzeln. „Ja, warum eigentlich nicht?“, habe er dann auch gedacht. Diese Denkweise hat er im Laufe der Therapien verinnerlicht: Warum eigentlich nicht? Gemeinsam mit seinem Therapeutenteam probiert er vieles einfach aus. Mal versucht er, Tischtennis zu spielen, mal fährt er auf einem Roller – und beides gelingt. Neben der gerätegestützten Therapie im Lokomat, am C-Mill oder im Space Curl ist das für ihn eine Besonderheit des Ambulanticum: „Erst einmal ist nichts unmöglich. Jeder einzelne Patient steht mit seinen Möglichkeiten und Zielen im Mittelpunkt, und die Therapeut*innen gehen den Weg engagiert mit“, so sein Eindruck.

Was alles möglich ist

Mittlerweile hat Michael Tacke auch wieder ein Fahrrad, eine spezielle Anfertigung, mit der er vor allem in den Sommermonaten viel unterwegs ist. Und auch sonst ist der fast 60-Jährige aktiv, engagiert sich im Behindertenbeirat der Stadt Gütersloh, nimmt immer mehr am Leben teil. „Das habe ich auch dem Ambulanticum zu verdanken“, sagt er. „Mir fehlen manchmal die Worte, was hier möglich gemacht wurde. Das habe ich nirgendwo anders erlebt.“

Reisen trotz Rollstuhl

Leonie Rebscher erobert sich ihre Selbstständigkeit zurück – und die Welt

Leonie Rebscher lacht in die Kamera. Mit der Reise nach Tansania hat sie sich einen großen Traum erfüllt: einmal auf Safari sein und Löwen, Nashörner oder Elefanten in freier Wildbahn sehen. Dieser Traum war für die 33-Jährige zwischenzeitlich scheinbar unerreichbar geworden: Bei einem schweren Verkehrsunfall vor 13 Jahren erlitt Leonie Rebscher ein Schädelhirntrauma, lag im Wachkoma, konnte lange nicht sprechen. Doch sie und ihre Familie gaben nicht auf: Die junge Frau erkämpft sich ihr Leben zurück, Stück für Stück. Und mit jedem Fortschritt zeigt sie sich und anderen, was auch mit Einschränkungen alles möglich ist.

Die Sprache zurückerobern

„Ich habe die Prognose nie akzeptiert“, sagt Leonie Rebscher heute. Sie spricht langsam, bemüht sich, jedes Wort deutlich zu artikulieren. Jeden Laut, jeden Buchstaben, jedes Wort hat sie sich in jahrelangem Training „zurückerobern“ müssen. Schließlich lag sie nach dem Unfall neun Wochen lang im Koma, eine Zeitlang zwischen Leben und Tod. Doch Leonie Rebscher überlebte. Sie kam in eine Einrichtung zur Frührehabilitation. Dort blieb sie ein Jahr und sieben Monate, begann wieder, ihre Umgebung wahrzunehmen, lernte, mit Hilfe einer Tastatur zu kommunizieren. Und nach neun Monaten ohne Sprache, sagte sie die ersten Worte. „Hallo Mama, hab ich gesagt“, erinnert sich Leonie Rebscher. Das war Heilig Abend 2010. Ab November 2011 lebte sie wieder zu Hause, ging zu ambulanten Therapien in Aschaffenburg und schließlich über lange Strecken zu Intensivtherapien in einer Pforzheimer Einrichtung.

Viel Eigenregie

„Dort haben wir vom Ambulanticum erfahren“, sagt Alwin Rebscher, Leonies Vater. Ein Patient erzählte von dem Herdecker Therapiezentrum, gleichzeitig stieß die Familie auf einen Bericht in dem Mitgliedermagazin der Techniker Krankenkasse. Die Eltern informierten sich, nahmen Kontakt zum Ambulanticum auf. Alles in Eigenregie. „Das war eigentlich immer so“, erzählt Alwin Rebscher. Nach der ersten von der Berufsgenossenschaft organisierten Frühreha in Gailingen hatte die Familie den Eindruck, ganz auf sich selbst gestellt zu sein. „Wir waren immer der Überzeugung, Leonie kann noch mehr erreichen“, so Rebscher. „Aber es gab keine konkreten Vorschläge, wie man sie weiter fördern oder therapieren könnte. Da fühlt man sich schon alleingelassen.“

Ziel: mehr Selbstständigkeit

2018 hatte Leonie Rebscher einen Probetermin im Ambulanticum. 2019 war sie zum ersten Mal zur Intensivtherapie vor Ort. Schon damals hatte sie ihr Ziel klar vor Augen: wieder laufen können. Dem Ziel ist die junge Frau in den vergangenen Jahren mit intensivem Training und in insgesamt 13 Therapiephasen in Herdecke ein ganzes Stück nähergekommen. Sie ging zur Ergo- und Physiotherapie, arbeitete beim Gerätetraining auf C-Mill und Lokomat, bekam eine Orthese, um ihren Gang zu stabilisieren und trainierte in der Logopädie ihre Sprache. Mittlerweile kommt Leonie Rebscher problemlos mit einem Rollator voran, kann sich auch zu Hause auf ihrer eigenen Etage selbstständig bewegen und auch die ersten selbstständigen Schritte mit Begleitung ohne Hilfe durchführen.

Wieder reisen

Und diese Selbstständigkeit ist es, die der jungen Frau, die vor dem Unfall eine Ausbildung zur Erzieherin  gemacht und parallel ein Studium zu Bildung und Erziehung in der Kindheit gemacht hat, besonders wichtig ist und am Herzen liegt. Als die Eltern allein im Urlaub waren, hat auch sie ihren Alltag größtenteils allein meistern können. Ein Fahrdienst brachte sie zum Kindergarten, in dem sie ein paar Stunden pro Woche arbeitet, die Großmutter kochte. Auch Fahrrad fahren kann Leonie Rebscher wieder, sie geht klettern, trifft sich mit Freundinnen aus ihrem früheren Handballteam und ehemaligen Studienkolleginnen  – und hat Pläne für weitere Reisen. „Vielleicht fliegen wir nach Australien, Bekannte besuchen“, sagt sie. Und als ihr Vater die lange Flugreise und die damit verbundenen Strapazen für Leonie anspricht, lacht sie und sagt: „Wir machen das. Ich bin dabei.“

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