„Ich wurde zum ersten Mal gefragt, was ich erreichen möchte.“

Schülerin Anni Hilbert trainiert im Ambulanticum das Laufen – und noch viel mehr

ICP. In der Neurologie stehen diese drei Buchstaben für Infantile Cerebralparese, eine Störung des Haltungs- und Bewegungsapparats, die auf eine frühkindliche Hirnschädigung zurückgeht. Allein 2019 gab es 3.240 Fälle in Deutschland, für 2021 werden 3.328 prognostiziert. Auch Anni Hilbert lebt mit einer Infantilen Cerebralparese. Als die Schülerin ein Jahr alt war, wurde die Krankheit bei ihr diagnostiziert. Unterkriegen lässt sich die heute Elfjährige davon nicht. Im Gegenteil. Mit viel Motivation, Durchhaltevermögen und Kraft erkämpft sie sich immer weitere (Bewegungs-)Freiheiten – auch mit Hilfe von Therapien im Ambulanticum.

Vorwärts ziehen statt krabbeln

„Dass Anni motorische Verzögerungen hat, hat sich schon früh gezeigt“, blickt Annis Mutter Uta Hilbert zurück. „Sie ist zum Beispiel nie gekrabbelt, sondern hat sich vorwärts gezogen.“ Ab dem zweiten Lebensmonat bekommt Anni daher Frühförderung, arbeitet mit Physiotherapeuten. Mit zwei Jahren hat sie ihren ersten Rollator, mit drei Jahren beginnt sie das Therapeutische Reiten. In einem ambulanten Therapiezentrum bekommt Anni Manuelle Therapie, intensive Physio- und Ergotherapie. Zwei Mal im Jahr, jeweils für zwei Wochen – bis das Zentrum 2018 schließen muss.

Erste Intensivtherapie im Ambulanticum

„Einen Nachfolger gab es nicht und auch etwas Vergleichbares haben wir in unserer Region nicht gefunden“, so Uta Hilbert, die mit ihrer Familie im Süden Deutschlands lebt. Dann lesen die Eltern in der Mitgliederzeitschrift der Techniker Krankenkasse einen Artikel über das Ambulanticum. „Zu dem Zeitpunkt hatte Anni fast zwei Jahre keine Intensivtherapie mehr – und das hat man auch gemerkt. Sie selbst war unzufrieden und wollte etwas machen.“ Die Familie stellt einen Antrag auf Intensivtherapie im Ambulanticum. Ostern 2021 beginnt die erste dreiwöchige Therapieeinheit. Es folgen zwei Wochen rund um Pfingsten und zwei Wochen im Sommer.

Training mit Spaßfaktor

„Es war Annis großer Wunsch, hierhin zu gehen. Und sie liebt es hier.“ Uta Hilbert lächelt, während sie zu Anni blickt, die gerade ihre Therapieeinheit auf dem C-Mill beendet hat, einem Gangtrainer, der mit Augmented und Virtual Reality arbeitet. Auch Anni strahlt. „Das Training auf dem C-Mill ist zwar besonders anstrengend, macht aber auch Spaß“, erzählt sie, dreht ihren Rollator zurecht, setzt sich und erzählt von ihrem Training. Von den Therapieeinheiten am Lokomaten oder im 3D-Spacecurl, in dem sie sich mit Gewichtsverlagerungen um die eigene Achse dreht und auch mal Kopf steht.

Mehr Körperwahrnehmung und besseres Gleichgewichtsgefühl

„Hier gibt es so viele Möglichkeiten. Das kenne ich von anderen Therapien gar nicht“, sagt die Elfjährige. Was sie auch nicht kannte: gefragt zu werden, was man selbst möchte, welche Ziele man hat. „Das hat mich vorher noch nie jemand gefragt“, fügt sie mit leisem Erstaunen hinzu. Und Anni möchte viel erreichen. Sie ist ehrgeizig. Trainiert eifrig. Zieht die täglichen fünf Stunden Training konsequent durch. „Sie ist da wie ein Uhrwerk und geht mit extremer Motivation rein“, bestätigt auch ihre Mutter. Müde wird sie nur, wenn sie ihr Bett sieht. „Sonst könnte ich weiter machen“, ergänzt ihre Tochter und lacht. Annis Einsatz zahlt sich aus. Die Wochen im Ambulanticum zeigen Wirkung. „Ihre Körperwahrnehmung und Aufrichtung haben sich extrem gewandelt“, hat Mutter Uta beobachtet. „Sie weiß jetzt sehr genau, wo sie ansetzen muss, um aufrechter zu laufen. Ihre Muskulatur und ihr Gleichgewicht haben sich verbessert.“

Alltagssituationen selbstständig bewältigen

Auch für viele kleine, alltägliche Situationen hat Anni die Zeit im Ambulanticum geschult. Konnte sie ihre linke Hand zuvor nur kurz drehen, kann sie jetzt ein Glas selbst halten. Oder ihre Arme hochstrecken, was für das selbstständige Waschen und Duschen wichtig ist. „Die Therapie im Ambulanticum orientiert sich sehr am Alltag der Patienten. Das finden wir wichtig und richtig“, sagt Uta Hilbert. Kostete es Anni sonst zehn Minuten, einen Strumpf anzuziehen, schafft sie es jetzt in einer Minute. „Weil die Therapeuten im Ambulanticum die ersten waren, die einen Strumpfanzieher ins Spiel brachten“, so die Mutter.

Schule und Schwimmtraining

Nach der Therapie und den Sommerferien hat für Anni zu Hause ein neuer Alltag begonnen: Die Elfjährige geht jetzt auf eine Regelschule und besucht ein Gymnasium in ihrer Heimat. „Schule ist schön. Ich lerne gerne. Und man macht Übungen, ohne es zu merken“, sagt Anni, die in ihrer Schule auch die Schwimmgruppe besucht. Ein Training, das gleichzeitig ein großes Hobby von ihr ist. „Wasser ist toll“, sagt Anni und lächelt. „Im Wasser bin ich leicht. Und im Wasser kann ich laufen.“

 

 

Neue Perspektiven im Para Sport

Lina Neumair ist Talentscoutin des Behinderten- und Rehabilitationssportverbands NRW

Anfang September sind die Paralympics zu Ende gegangen. Die Spiele in Tokio haben den paralympischen Sport in den Fokus gerückt – für einen Moment. „Im Alltag bekommen Para-Sportarten und die Sportler:innen mit Behinderung aber viel zu wenig Aufmerksamkeit“, ist Ambulanticum-Geschäftsführerin Marion Schrimpf überzeugt. Dabei sei Sport gerade für Menschen mit Behinderung eine wichtige Motivation. „Er sorgt für Erfolgserlebnisse und schafft Selbstbewusstsein“, weiß auch Lina Neumair. Als Talentscoutin des Behinderten- und Rehabilitationssportverbands NRW (BRSNW) hat sie den sportlichen Nachwuchs im Blick und sich die Therapiemöglichkeiten im Ambulanticum bei einem Besuch angeschaut.

Menschen für den Parasport begeistern

„Es ist wichtig und toll, dass es eine solche Einrichtung gibt, die gerätegestützt und sehr individuell arbeitet und zudem viele Sportwissenschaftler im Team hat“, so Lina Neumair. Seit 2019 arbeitet sie für den BRSNW als Talentscout – eine Stelle, die damals neu geschaffen wurde und mit der Nordrhein-Westfalen eine Vorreiterrolle einnimmt: Die 27-Jährige ist die erste hauptamtliche Talentscoutin für den Para Sport in Nordrhein-Westfalen. Sportler:innen, Familien, Schulen und Vereine beraten, talentierte Kinder und Jugendliche mit Behinderung  sichten, Menschen, die nach einem Unfall mit einem Handicap leben, (wieder) für den Sport begeistern – all das gehört zu den täglichen Aufgaben der Hattingerin. 

Vielfalt des Para Sports aufzeigen

„Mir ist es wichtig, den Para-Sport bekannter zu machen und die Vielfalt der Sportmöglichkeiten aufzuzeigen“, so Lina Neumair. Und zu denen zählen nicht allein Rollstuhlbasketball oder Paradressur – zwei Sportarten, die zu den bekannteren gehören. So können Parasportler:innen in NRW zum Beispiel im Para Tischtennis, Para Rudern, Para Badminton, Sitzvolleyball, Para Schwimmen oder in der Para Leichtathletik als Kaderathleten gefördert werden oder auch in einer Hobbygruppe ihre sportliche Heimat finden. Dafür betreibt Lina Neumair viel Aufklärungsarbeit, bringt Vereine und Sportler:innen zusammen und zeigt neue Wege auf: „Viele wissen gar nicht, welchen Sport sie mit Amputationen oder mit einem Querschnitt überhaupt machen können“, weiß die Sport- und Fitnesskauffrau, die nach ihrem Fachabi auch noch ein Bachelorstudium abgeschlossen hat. „Der Sport gibt vielen – gerade nach einem Unfall – neue Perspektiven.“ 

Erfolgreiche Sportlerinnen

So hat Lina Neumair zum Beispiel einem jungen Mädchen, das seit einem Autounfall querschnittsgelähmt ist und in der Leichtathletik aktiv werden wollte, dabei geholfen, den passenden Verein zu finden. Eine sehr erfolgreiche Athletin, die Lina Neumair begleitet, ist Gianna Regenbrecht. Die Medizinstudentin ist Para-Dressurreiterin im Bundesnachwuchskader, trainiert 

trainiert am Olympiastützpunkt DOKR in Warendorf, im Paralympischen Trainingszentrum (PTZ) in Frechen – und immer wieder auch im Ambulanticum. „So kam auch der Kontakt zum Therapiezentrum zustande“, erklärt Lina Neumair, die sich freut, ihr Netzwerk um das Ambulanticum erweitern zu können. „Hier findet man viele Therapiemöglichkeiten gebündelt an einem Ort und es kann sehr individuell gearbeitet werden.“ Weitere Informationen zu ihrer Arbeit, Schnuppertagen und -veranstaltungen für Interessierte gibt es unter: https://www.brsnw.de/leistungssport/talentscout/geschichten

Lernen, an sich selbst zu glauben

Gabriel hatte als Baby eine Hirnblutung – heute besucht er eine Regelschule

Gabriel macht vieles mit links: abstützen, hochziehen, greifen. Links ist die starke Seite des Sechsjährigen. Seine rechte Hand hat er lange gar nicht wahrgenommen. Nicht wahrnehmen können. Denn als Baby erlitt Gabriel eine Hirnblutung. Die Folgen: Er schaute nicht nach rechts, nutzte seine rechte Hand nicht, hatte motorische Defizite und machte seine ersten Schritte mit zwei Jahren. Fahrradfahren? Klettern? Eine Regelschule besuchen? Glaubte man den Ärzten, war das undenkbar. Dass es nicht unmöglich ist, hat der Schüler mittlerweile allen gezeigt: Denn heute kann Gabriel all das. Große Fortschritte hat der Erstklässler auf seinem Weg auch im AMBULANTICUM gemacht.

Schwere Diagnose

„Nach der Diagnose teilten uns die Ärzte mit: Haben sie nicht so viele Erwartungen. Gabriel wird vieles nicht können“, sagt Daniel Funke, Gabriels Vater, und seine Stimme klingt brüchig, wenn er von der schweren Zeit nach Gabriels Geburt erzählt. „Das hat meine Frau und mich natürlich niedergeschlagen.“ Das Elternpaar stand unter Schock, konnte den Ärzten aber keinen Glauben schenken. „Wir haben unser Kind gesehen und gedacht: Er wird mehr können“, so Mutter Stefanie. 

„Es muss doch noch mehr geben.“

Sie beginnen mit einer intensiven Frühförderung, Gabriel bekommt Physiotherapie und Ergotherapie. Regelmäßig besucht eine Therapeutin die Familie, arbeitet mit Gabriel vor Ort, hilft bei der Wahl weiterer Unterstützungsangebote. Auch seine Eltern machen zu Hause Übungen mit ihm, setzen immer wieder auch kleine Hilfestellungen um: Sie bauen eine Rampe, um ihr Kind beim Krabbeln lernen zu unterstützen. Ein gehäkeltes Band mit Glöckchen an der kleinen rechten Hand soll die Aufmerksamkeit auf die schwache Seite lenken. Als Gabriel 2,5 Jahre alt ist, kommt sein Bruder Jakob zur Welt. „Das hat Gabriel auch immer wieder unheimlich motiviert“, blickt Stefanie Funke zurück. Als der Kleine zu krabbeln beginnt, ahmt auch Gabriel die Bewegungsabläufe nach und wiederholt diesen Entwicklungsschritt nochmal.

Neben der intensiven Förderung und Therapien informiert sich das Ehepaar auch über andere Möglichkeiten, ihren Sohn zu unterstützen. „Das alles war ja schön und gut. Aber wir haben immer gedacht: Es muss doch noch mehr geben“, schildert der Familienvater. Seine Frau recherchiert. Sie stößt auf die gerätegestützte Therapie und auf das AMBULANTICUM. „Wir haben direkt gesagt: Das probieren wir aus und schauen, wie Gabriel die Therapie annimmt“, erzählen beide.

Bessere Körperwahrnehmung

Die Technikerkrankenkasse genehmigt die Intensivtherapie. Im September 2020 ist Gabriel zum ersten Mal in dem Herdecker Therapiezentrum. Sieben Wochen – drei Wochen im September, zwei Wochen im November und zwei weitere im März 2021 – arbeitet er mit dem Therapeutenteam. Mit großem Erfolg. „Als wir begonnen haben, wusste Gabriel, dass er seine rechte Hand braucht, wenn er bestimmte Sachen machen möchte“, erklärt Daniel Funke. „Das hatte er verstanden.“ Während der therapeutischen Einheiten lernt er, die rechte Hand unbewusst zu nutzen. Er gewinnt an Sicherheit. Weiß, er kann sich abstützen, abfangen – auch mit rechts. „Seine ganze Körperwahrnehmung hat einen enormen Schub bekommen“, findet Daniel Funke. Mit jeder Verbesserung glaubt Gabriel mehr an sich selbst. Probiert Neues aus. Gabriel traut sich, allein Fahrrad zu fahren. Bei Ausflügen auf den Spielplatz klettert er. Von sich aus. Ohne Motivation und Zuspruch von außen. „Das hat er sonst nie gemacht“, freuen sich die Eltern. „Das sind dann die besonders schönen Momente.“


Bewusste Entscheidung für die Regelschule

Im Ambulanticum fassen sie auch die Entscheidung, ihren Sohn auf eine Regelschule zu schicken – und die Anmeldung an einer Förderschule rückgängig zu machen. „Da haben uns die Gespräche mit Marion Schrimpf sehr geholfen“, so Daniel Funke. Die Ambulanticum-Geschäftsführerin plädierte dafür, Gabriel so starten zu lassen, wie alle anderen. Ihn nicht aus seinem sozialen Umfeld herauszunehmen und mit dem Bus eine halbe Stunde zur Schule fahren zu lassen. Stattdessen wurde der Junge mit seinen Kindergartenfreunden eingeschult und bekommt Unterstützung von einem Schulbegleiter. Dass ihr Sohn all das schafft und kann, überrascht die Eltern nicht. „Wir haben immer gemerkt: Er kann vieles. Er braucht nur die richtige Unterstützung“, betont StefanieFunke.

Potenziale des Patienten im Fokus

Diese hat die Familie auch im AMBULANTICUM gefunden. „Die positive Einstellung des ganzen Teams, die herzliche Atmosphäre und vor allem die individuelle Therapie haben uns sehr geholfen“, weiß Daniel Funke. „Die Potenziale des Patienten stehen im Mittelpunkt. Nicht seine Schwächen.“ Der Vater lächelt und seine Frau fügt hinzu: „Gabriel hat hier vor allem eines gelernt: Du kannst viel mehr als du denkst – und als die anderen gedacht haben.“

FEUERABEND GmbH

Die Orthopädie FEUERABEND GmbH bietet Versorgungsqualität auf höchstem Niveau.
Dabei stehen fachkompetente Beratung und Freundlichkeit an erster Stelle. Ziel ist es, für alle Bedürfnisse der Patienten individuelle Lösungen zu finden, um so Ihr Wohlbefinden zu steigern.

Seit 2016 zertifiziertes
„Neurologie-Kompetenz-Zentrum“

Individuelle Versorgungen bei neurologischen Erkrankungen und Handicaps, wie beispielsweise bei der hereditären spastischen Spinalparalyse (HSP), einem Schlaganfall (Apoplex), bei Multipler Sklerose (MS), bei inkompletten und kompletten Querschnitten, bei infantiler Zerebralparese (ICP), beim Guillain-Barré-Syndrom (GBS), etc. sowie Beratungen werden von der Orthopädie Feuerabend GmbH durchgeführt.

Die Erfahrungen zeigen, dass eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Neuroorthopädie-Technik, Ergotherapie und Physiotherapie unabdingbar ist.

Die Produktentwickler der Orthopädie Feuerabend GmbH haben mit Hilfe innovativer Techniken, deutschlandweit einzigartige Testsysteme entwickelt. So ist es potentiellen Nutzern möglich, verschiedene Orthesensysteme aus dem Bereich der Maßanfertigungen, vorab und unverbindlich testen zu können.

Sinn und Zweck ist eine exakt zugeschnittene Hilfsmittelversorgung, welche auf die individuellen Bedürfnisse eines Patienten angepasst ist, sodass ein optimales Versorgungskonzept entsteht.

Versorgungsmöglichkeiten bei neurologischen Handicaps:

  • Bioness L300 Go / Plus
  • Bioness H200
  • C-Brace® 
  • Myomo
  • E-MAG-Active
  • CDS Redression
  • Nexgear Tango
  • Dynamische Orthesenversorgung
  • Proprio® Neuroeinlagen
  • Orthopädische Maßschuhe
  • Kiddie-Gait

Ansprechpartner:
Herr Michael Goeke
Leiter Orthopädie-Technik und Neuroorthopädie
Roßbachstraße 1
44369 Dortmund
Tel.: +49 (0) 231 / 53 20 12 – 0
Fax: +49 (0) 231 / 53 20 12 – 14
E-Mail: m.goeke@orthopaedie-feuerabend.de

Für weitere Informationen besuchen Sie gerne unsere Homepage:
www.orthopaedie-feuerabend.de

Skip to content